Lotuseffekt
Die äußerste Schicht des Lotusblattes ist so aufgebaut, dass sie dank ihrer chemisch-physikalischen Phänomene (Oberflächenspannung und hydrophober Effekt) „selbstreinigende“ Eigenschaften besitzt.
Die äußerste Zellschicht von Pflanzenblättern wird
durch sogenannte Epidermiszellen gebildet. Direkt oberhalb der Epidermiszellen
befindet sich eine mikrostrukturierte Schicht, die Cuticula. Sie besteht aus
hydrophoben Molekülen und verhindert einerseits, dass die Pflanze von innen her
Wasser verliert, und andererseits, dass Schmutzpartikel und Wasser an der
Oberfläche der Blätter haften können. Das besondere an der
Lotuspflanzenoberfläche ist jedoch nicht ihre hydrophobe Cuticula, denn eine
solche besitzen nahezu alle Pflanzen. Die Lotuspflanze zeigt eine besonders
strukturierte Cuticula, welche es ermöglicht, dass die Kontaktfläche zu Schmutzpartikeln oder Wasser stark verkleinert
wird. Die Verkleinerung der Kontaktfläche geht mit der Vergrösserung des
sogenannten „Kontaktwinkels“ zwischen Wasser und Oberfläche einher. Die
Kombination aus hydrophober Oberfläche und grossem Kontaktwinkel wird als Superhydrophobie bezeichnet. Wassertropfen
perlen von superhydrophoben Oberflächen als
nahezu perfekte Tropfen ab und können dabei allfällig vorhandene
Schmutzpartikel von der Pflanzenoberfläche mitreissen. Sogar hydrophobe
Schmutzpartikel werden aufgrund ihrer
minimalen Kontaktfläche zur Blattoberfläche von den Wassertropfen mitgeschwemmt.
Die
mikrostrukturierte Cuticula der Lotuspflanze besitzt einzelne, ca. 20 µm hohe Ausstülpungen,
sogenannte Papillae. Darauf aufgelagert befindet sich eine Schicht aus nanostrukturierten
Wachskristallen. Die Form und Struktur der Wachskristalle ist abhängig von der
chemischen Zusammensetzung der Wachse. Wachse sind chemisch gesehen Ester von
Fettsäuren mit langkettigen Alkoholen. Die Wachse an der Blattoberfläche werden
als epicuticulare
Wachse bezeichnet. Neben der Lotuspflanze besitzen auch andere Pflanzen selbstreinigende
Oberflächen dank der speziellen Zusammensetzung ihrer epicuticularen Wachse:
Zum Beispiel die Kapuzinerkresse, der Frauenmantel oder der Kohlrabi
Die Struktur der epicuticularen Wachskristalle ist entscheidend für die Benetzbarkeit der Blattoberfläche. Die Benetzbarkeit wird anhand des Kontaktwinkels zwischen Wassertropfen und Oberfläche bestimmt. Eine totale Benetzung ist bei einem Kontaktwinkel von 0 Grad vorhanden, bei 180 Grad spricht man von vollkommener Unbenetzbarkeit, was allerdings in der Natur nicht möglich ist. Je rauer (auf Mikroebene!) und hydrophober die Oberfläche, desto grösser ist der Kontaktwinkel des Wassertropfens. Zwischen den einzelnen hydrophoben Wachskristallen sind Lufteinschlüsse vorhanden, wodurch die Kontaktfläche verringert wird. Aufgrund der hohen Oberflächenspannung des Wassers, das möglichst die Kugelform beibehalten möchte, sowie der geringen Interaktion zwischen Wasser und Oberfläche, ist es für das System energetisch am günstigsten, wenn der Wassertropfen Luft unter sich einschliesst und eine Brücke von Oberflächenrauhigkeitsspitze zu Oberflächenrauhigkeitsspitze bildet. Das Wasser kann seinen optimalen energetischen Zustand nur erreichen, wenn es den Kontaktwinkel maximiert.